Als Mutter dreier Kinder lässt Autorin Gabriela Kasperski gern persönliche Erfahrungen in ihre Bücher einfließen. Ein Gespräch über Familienklischees und Rollenverteilung.
„Ins Glück gebloggt“ erzählt die Geschichte der 45-jährigen Über-Hausfrau Nina, die über die Trennung von ihrem Mann zu sich selbst findet. Auf ihrem Weg zum Happy End wird sie von einem Nutella-süchtigen Hund verfolgt, startet eine Karriere als Bloggerin mit Galgenhumor und ihr Sohn hat eine Affäre mit einer ihrer besten Freundinnen…
Eine wahre Geschichte?
Oh ja, alle Sachen sind passiert, ich habe viel recherchiert und dann alles zusammengeschrieben und verdichtet. Natürlich ist meine Figur der Nina überhöht, diese Menge an Ereignissen ist nicht normal und ich schreibe ja immer mit Humor, oft auch ein bisschen mit Galgenhumor, aber inspiriert hat mich das wirkliche Leben, und dass sich in meinem Umfeld viele Paare getrennt haben, geradezu inflationär – und immer nach demselben Muster.
Was war das für ein Muster?
Eigentlich ein richtiges Klischee, das sich mit Realität gefüllt hat. Die Männer waren entweder schon eine Weile mit einer jüngeren Freundin zusammen oder haben sich eine jüngere Frau gesucht. Ein Thema, das mit Mitte 40 bei vielen Paaren aktuell wird. Meist ist diese Zeit auch ein großer Einschnitt in der Familiensituation. Am Anfang stecken ja gerade wir Frauen in der Kinderblase, das ist die Zeit in der wir uns ganz intensiv um unsere Kinder kümmern, erst als Babys, später dann in der Schulzeit und natürlich wollen wir sie auch begleiten und unterstützen, wenn sie langsam erwachsen werden – aber die Kinder werden eben selbständig, die Mutter-Rolle ändert sich.
Wie ist das bei Ihnen?
Also ein Sohn ist gerade in eine WG gezogen, einer macht gerade das Abi. Für mich ist durch diesen Einschnitt klar geworden: Aha, die gehen ja irgendwann – und das kann schmerzhaft sein. Aber sonst bin ich ja ganz anders als Nina. Ich arbeite seit ich 19 bin. Zuerst als Schauspielerin und Moderatorin, bis ich etwa 32 war, dann fürs Fernsehen und als Autorin. Ich habe zwei Söhne, die mittlerweile schon älter sind, 22 und 17 Jahre – und eine jüngere Adoptiv-Tochter, die jetzt 9 Jahre alt ist. Mit keinem Kind habe ich mir ein Wochenbett gegönnt oder eine Auszeit, sondern gleich nach der Geburt weitergearbeitet. Ich bin einfach nicht der Typ.
Glauben Sie, dass die Trennung Mitte 40 eher bei Paaren mit klassischer Rollenverteilung relevant ist?
Jede Situation ist natürlich individuell und ich habe auch großen Respekt vor Frauen, die zu Hause bleiben. Gerade in der Schweiz entscheiden sich viele junge, ausgebildete Frauen für die klassische Hausfrauenrolle und gehen damit der Wirtschaft verloren, einfach deshalb, weil sie nicht das ganze Geld, das sie verdienen für Kinderbetreuung ausgeben wollen.
Ich dagegen habe damit zu kämpfen, mich ausgebrannt zu fühlen und natürlich habe ich auch Anfälle von schlechtem Gewissen. „Ich komme gleich!“ ist der Satz den meine Kinder am meisten von mir hören. Was sie von mir sehen ist mein Rücken, mich am Laptop sitzend. Aber für mich hätte es nie ein anderes Modell gegeben.
Haben Ihre Kinder Ihnen deshalb jemals Vorwürfe gemacht?
Ich glaube, es war mehr mein schlechtes Gewissen, weil ich das Gefühl hatte, dass ich mehr für sie da sein müsste. Und mit meiner Tochter erlebe ich das jetzt alles nochmal Aber eigentlich ist alles gut ausgegangen. Die beiden Jungs sind sehr selbständige junge Menschen geworden und auch sehr involviert mit dem, was ich mache. Der Ältere studiert Anglistik, so wie ich und wir arbeiten auch öfter zusammen. Er hat mir etwa eine Facebook Autorenseite gemacht. Der Kleine hat für seine Abi-Arbeit einen Krimi geschrieben und den veröffentlichen wir jetzt auch, weil er echt gut geworden ist.
Unterstützt Sie ihr Mann mit Kindern und Haushalt?
Mein Mann war früher auch freischaffend, er ist zwar Deutscher, arbeitet aber fürs Schweizer Fernsehen. Wir habe beide eine halbe Stelle, wobei er in Anstellung arbeitet und ich frei. Daneben arbeitet er als Coach – und wir haben vor kurzem auch unseren eigenen Verlag gegründet. Manchmal ist es schon eine Herausforderung alles unter einen Hut zu bringen. Generell macht mein Mann auch einiges im Haushalt, er kocht gern, aber letztendlich bleibt – auch bei uns – vieles an der Frau hängen: Zahnarzttermine, Sozialkontakte, eben alles was das Familienleben ausmacht.
Woran liegt das?
Frauen können das eben einfach gut. Ich glaube, dass in der Mehrheit der Fälle nach wie vor die Grundverantwortung für die Familie an der Frau hängen bleibt. Mein Mann würde alle die Kleintermine vergessen. Wenn ich beruflich weg bin schreibe ich alles ganz genau für ihn auf. Auch in der Buchhaltung bin ich besser als er. Wir haben uns 24 Jahre lang zusammengerauft, und jeder tut nun die Dinge, die seinem Können entsprechen.
24 Jahre sind einen lange Zeit. Was ist ihr Geheimrezept für eine funktionierende Partnerschaft?
Ich weiß nicht, ob es ein Geheimrezept gibt. Wir haben beide von Anfang an in ungewöhnlichen Berufen gearbeitet und mussten uns täglich neu erfinden. Wir waren freischaffend und immer neuen Aufträgen hinterher. Aber wir beide wollten auch eine Familie, das ist es, was uns zusammengehalten hat. Ein Trott war nie möglich.
Und Streit gibt es nicht?
Oh doch! Wir sind beide sehr unterschiedlich und streiten oft, wobei mein Mann streitlustig ist und ich temperamentvoll, eine explosive Mischung. Aber wir sind eben nie in die Schweigsamkeit abgerutscht, was ja leicht geschehen kann, wenn man sich in verschiedene Richtungen entwickelt und sich nicht begleiten kann. Das führt dann zu Entfremdung und zu Grabenkämpfen. Miteinander zu reden hilft viel in einer Beziehung.
Manchmal finden Paare im Trubel des Familienlebens ja kaum Zeit sich gegenseitig zuzuhören? Hilft ein regelmäßiger gemeinsamer Abend zu Zweit?
Also, ein fixes Date hat bei uns nie funktioniert, aber wir versuchen einmal zusammen im Jahr gemeinsam wegzufahren. Aber manchmal, wenn die Durststrecke wieder mal groß wird, dann fällt es mir wieder ein, dass wir Zeit für uns brauchen.
Was raten sie jungen Paaren, wie kann eine Beziehung auch nach Jahrzehnten noch gut funktionieren?
Offenheit und miteinander zu kommunizieren ist extrem wichtig. Den Schritt gemeinsam Kinder zu haben, als auch den Schritt sich zu trennen sollte man gut überlegt machen. Ich rate meinen Kindern immer, die eigenen Kinder erst zu haben, wenn sie wirklich welche wollen, wenn sie gereist seid und sich ausprobiert haben. Familie kann aber auch durchaus funktionieren wenn junge Menschen sich gefunden und auch ihre Befriedigung gefunden haben. Familie ist so viel Kompromiss und aufeinander Rücksicht nehmen: finanziell, gesellschaftlich und emotional. Das Leben verändert sich, von heute auf morgen. Viele Menschen sind davon überfordert, selbst wenn sie gut vorbereitet sind. Wenn sich Paare dann gegenseitig dafür verantwortlich machen gehen sie unter.
Verraten Sie uns noch, was Sie selbst in nächster Zeit planen?
Es wird einen neuen Krimi geben, außerdem möchte ich ein Buch für meine Tochter schreiben. Sie kommt aus Äthiopien und wird ihr ganzes Leben lang kämpfen müssen. Es war aber auch für uns als Familie eine wichtige Erfahrung, wir alle haben lernen müssen mit Rassismus umzugehen.
Wir sind schon sehr gespannt! Vielen Dank für das Interview Frau Kasperski. Wer weiterlesen möchte, hier geht es zum 45+ Blog.